
Corona und Geschlechtergleichstellung – Update II
Zum Stand Dezember 2020
Zum Ende diesen Jahres hat uns die zweite Welle der Corona-Pandemie mit deutlich angestiegenen Fallzahlen und den entsprechenden Maßnahmen zu Kontaktbeschränkungen und Infektionsschutz fest im Griff. Um vom Lockdown light in den strikten Lockdown umzusteuern, wird das öffentliche Leben wieder heruntergefahren und viele Arbeitnehmer_innen ins Homeoffice geschickt. Vor Ort, in den systemrelevanten Berufen, leisten weiterhin mehrheitlich Frauen die gesellschaftlich wichtige Arbeit unter erhöhtem Infektionsrisiko und unter hoher Belastung, wie im Einzelhandel (Frauenanteil ca. 70%), in der Pflege (Frauenanteil ca. 75 %) und in den Erziehungs- und Lehrberufen (Frauenanteil über 90%). Bei den gleichzeitigen quarantäne- und infektionsbedingten (Teil-)Schließungen von Kitagruppen, Schulklassen und Pflegediensten übernehmen typischerweise – wie schon im ersten Lockdown - mehrheitlich Frauen die zusätzlichen Aufgaben zur Versorgung und Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Familienangehörigen. Nach dem Fortschreiten der Pandemie haben die meisten der Betroffenen ihre Ansprüche auf Urlaub und auf bezahlte Freistellung ausgeschöpft. Erschöpft sind zudem die eigenen Kräfte, insbesondere bei Alleinerziehenden. Die Gewissheit, dass diese Pandemie und die damit verbundenen Belastungen noch fortdauern werden, sorgt neben den physischen auch für psychische Belastungen.
In den Dienstleistungsberufen, in der Hotellerie und Gastronomie sowie in der Kultur sind viele Frauen beschäftigt, diese Branchen sind jetzt stark von den wirtschaftlichen Auswirkungen des zweiten „Lockdown“ betroffen. So zeigt bereits das Wirtschafts- und Arbeitsmarktmonitoring vom Oktober des Münchner Referats für Arbeit und Wirtschaft, dass die Arbeitslosigkeit bei den Frauen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 63,2 % gestiegen ist. Diese Zahlen werden sich kurzfristig nicht verbessern. Überproportional betroffen sind Frauen ebenfalls vom Wegbruch der Minijobs im gewerblichen Bereich. Ebenso mussten zahlreiche Qualifikationsmaßnahmen für Frauen mit Migrationshintergrund eingeschränkt oder ganz abgebrochen werden, mit langfristigen Folgen für die Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft.
Beinahe unsichtbar ist die Situationen von Frauen und LGBTIQ* in besonders vulnerablen Lebenslagen, wie z.B. mit chronischen Erkrankungen, mit Behinderungen, in Gemeinschaftsunterkünften, mit fehlender Krankenversicherung oder ungesichertem Aufenthaltsstatus.
Die strukturellen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern offenbaren sich gegenwärtig wieder deutlich. Der Deutsche Frauenrat bemängelt, dass die Finanzmittel aus den Corona-Konjunkturprogrammen ohne systematische Berücksichtigung von gleichstellungspolitischen Kriterien beschlossen wurden. Das erhöht die Gefahr einer neuerlichen Benachteiligung von Frauen. Insbesondere die Verteilung der Unterstützungsgelder muss so gestaltet sein, dass auch Frauen gleichberechtigt Zugang haben - trotz der für sie „typischen“ Erwerbsstruktur.
Es ist wichtig, dass die auf allen Ebenen durch die wirtschaftlichen Folgen der Krise notwendigen Haushaltskonsolidierungen unter den Kriterien der Geschlechtergerechtigkeit erfolgen. Sie dürfen nicht dazu führen, dass Strukturen und Einrichtungen, die der Geschlechtergerechtigkeit dienen, den Sparmaßnahmen geopfert werden. Im Gegenteil, gerade jetzt zeigt sich, wie wichtig ein Ausbau des bisher defizitär ausgestatteten Hilfesystems bei häuslicher Gewalt, aber auch geschlechtersensibler und gewaltpräventiver Angebote der Kinder- und Jugendhilfe und der Bildungseinrichtungen sind.
Bereits im Oktober hat die Gleichstellungsstelle für Frauen im veröffentlichten Bericht „Gleichstellung von Frauen und Männern. Daten – Analysen – Handlungsbedarfe 2020“ die in vielen aktuellen wissenschaftlichen Studien belegten geschlechtsspezifischen Implikationen der Corona-Krise dargestellt und analysiert. Die geschlechtsspezifischen Folgen der Pandemie werden uns weiter beschäftigen und dazu auffordern, gleichstellungspolitische Maßnahmen zu ergreifen.