Skulptur zur Erinnerung an das Attentat am ehemaligen Flughafen

Gedenkort München-Riem 1970

Eine über acht Meter hohe Skulptur aus Stahl und Bronze wird in München-Riem künftig an den tödlichen Terroranschlag vom 10. Februar 1970 am ehemaligen Flughafen erinnern. Dazu erarbeitet die Stadt München gemeinsam mit Angehörigen der Opfer begleitende Informationen. Bei einer Pressekonferenz am 21. Juni 2023 wurde jetzt das Konzept vorgestellt. Hier lest ihr, was geplant ist.

Konzept Gedenkort München-Riem 1970
Studio Kwade
Vorschau: So soll der neue Gedenkort in Riem aussehen

Im Auftrag des Kulturreferats

Dieser Beitrag zum neuen Gedenkort München-Riem 1970 ist vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München beauftragt. Die Inhalte wurden zwischen dem Auftraggeber und muenchen.de, dem offiziellen Stadtportal, abgestimmt.

Erinnerung an den Terroranschlag von Riem 1970

Am 10. Februar 1970 drangen bewaffnete Terroristen gewaltsam auf das Rollfeld des Riemer Flughafens ein und attackierten das Personal und die Passagiere eines israelischen Flugzeugs. Der Israeli Arie Katzenstein war mit seinem Vater Heinz gerade in einem Transferbus auf dem Rollfeld, als er tödlich getroffen wurde. Neun weitere Fluggäste wurden zum Teil schwer verletzt, unter ihnen der Vater des Todesopfers und die deutsch-israelische Schauspielerin Hanna Maron.

Zum Gedenken an die tragischen Ereignisse wird am historischen Ort des Attentats in München-Riem heuer ein neuer Erinnerungsort geschaffen – gestaltet von der renommierten Künstlerin Alicja Kwade. 

„Ich denke, Kunst spricht verschiedene Sinne an und kann auch die Erinnerungsarbeit, die wir leisten, sehr gut übersetzen“, sagt Kulturreferent Anton Biebl bei der Vorstellung des Projekts. „Deswegen ist es sehr schön, dass wir zusammen mit Brainlab hier dieses Erinnerungsdenkmal eröffnen können.“

Das Medizintechnikunternehmen Brainlab hat auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens heute seine Firmenzentrale. „Natürlich ist die Geschichte aber untrennbar mit diesem Ort verknüpft“, weiß Stefan Vilsmeier, CEO von Brainlab und Unterstützer des Projekts. Selbstverständlich wird der neue Gedenkort auf dem Firmengelände deshalb öffentlich zugänglich sein. Er soll die Menschen in einer räumlich-künstlerischen Erfahrung an die historische Auseinandersetzung heranführen.

Vorstellung Konzept Gedenkort Riem
Tobias Hase
Enthüllten bei der Pressekonferenz im Juni das Modell des Kunstwerks: Ofer Katzenstein und Miki Dror (die Kinder des getöteten Arie Katzenstein), Künstlerin Alicja Kwade, Brainlab-CEO Stefan Vilsmeier und Kulturreferent Anton Biebl (v.l.n.r.)

So wird die neue Skulptur in Riem aussehen

Es ist nicht einfach, solche Ereignisse überhaupt in irgendetwas zu fassen, schon gar nicht in ein Kunstwerk“, gibt die Künstlerin Alicja Kwade zu bedenken. „Ich habe versucht, mich auf die schicksalhaften Momente zu beziehen.“

Der Zeitpunkt des Anschlags ist Teil ihrer neuen Metallskulptur:

  • Drei stählerne Rahmen fassen bronzene Ziffernblätter ein, die an die Uhr des alten Flughafentowers erinnern und ähnlich dimensioniert sind.
  • Sie machen die zeitlichen und internationalen Dimensionen des Ereignisses und seiner Tragweite räumlich spürbar.
  • Auch der Name des Todesopfers, Arie Katzenstein, wird in dem Kunstwerk verewigt.

Video: Das ist für München-Riem geplant

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Unterstützung durch die Familie des Opfers

Im Jahr 2020 suchten die Kinder von Arie Katzenstein den Austausch mit dem Kulturreferat München und brachten sich seither ein, gemeinsam eine lebendige Erinnerung an den Anschlag zu gestalten. Sie sind für die Präsentation des Kunstwerks nach München gekommen und tragen zu den Recherchen und zur inhaltlichen Gestaltung bei.

„Für uns ist das sehr wichtig“, erklärt Miki Dror, die Tochter des getöteten Arie Katzenstein. „Wir wollen, dass es eine Erinnerung an unseren Vater gibt.“

„Wir haben auf diesen Tag mehr als 50 Jahre gehofft und sind nun endlich hierher gekommen“, ergänzt ihr Bruder Ofer Katzenstein. „Dadurch, dass an diesem Ort nun an unseren Vater erinnert wird, werden viele Menschen Wissen erlangen – über ihn als Menschen und über das Attentat.“

Familie Katzenstein
Der Israeli Arie Katzenstein lebte vor seinem Tod mehrere Jahre mit seiner Familie in München, sein Vater stammte aus Deutschland.

Das sagen Kulturreferent Biebl, Brainlab-CEO Vilsmeier, die Künstlerin und die Angehörigen

„Auf München richtete sich in den 70er Jahren internationale Aufmerksamkeit – auch von terroristischen Kommandos. Sie trafen die angehende Weltstadt mitten ins Herz. Wir halten die Erinnerung wach, gedenken der Opfer und setzen uns aktiv mit unserer und in diesem Fall auch der internationalen Geschichte auseinander. Die Skulptur von Alicja Kwade wird wesentlicher Teil des geplanten Erinnerungsorts MünchenRiem 1970 sein. Wenn Worte unzureichend sind, eröffnet die Kunst zusätzliche Perspektiven.“

Kulturreferent Anton Biebl (parteilos)
Anton Biebl Kulturreferent der Landeshauptstadt München

„Wir entwickeln innovative Medizintechnologie und betrachten die Partnerschaft mit der Stadt München als Möglichkeit einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Kunst und Kultur spielen eine vielschichtige Rolle in unserem Unternehmen, wir fördern aktiv unterschiedlichste Kulturprojekte und geben ihnen Raum. Für mich ist es eine besondere Verantwortung am Ort unserer Firmenzentrale an ein einschneidendes geschichtliches Ereignis zu erinnern – nicht nur gegenüber unseren internationalen Mitarbeiter*innen, sondern auch für die ganze Stadtgesellschaft.“

Stefan Vilsmeier CEO der Brainlab AG

„Ich bin gerührt und geehrt, das Denkmal für Arie Katzenstein und die anderen Opfer erstellen zu dürfen. Es ist das erste Denkmal, das ich machen darf, und ich stelle mich dieser Aufgabe sehr ehrfürchtig entgegen, und hoffe, hier einen Moment des Bewusstseins und der Erinnerung zu schaffen. In diesem Zuge wird es mir eine Ehre sein, die Familie Katzenstein persönlich kennen zu lernen.“

Alicja Kwade Künstlerin

„Wir hoffen, dass am alten Flughafen nicht nur die Erinnerung an unseren Vater und die persönliche Tragödie unserer Familie wachgehalten werden. Sondern, dass ein Ort entsteht, an dem sich viele Stadtbewohner*innen und insbesondere junge Menschen gerne aufhalten, um sich zu informieren - und ein Ort der Vermittlung und Kunst. Unser Vater, der lebenslustig, gesellig und sportbegeistert war, hätte sich darüber gefreut.“

Miki Dror und Ofer Katzenstein Angehörige des Todesopfers

Zum historischen Hintergrund des Gedenkorts

Seit Ende der 1960er Jahre radikalisierten und erweiterten palästinensische Organisationen ihren Aktionsrahmen. Flugzeugentführungen etablierten sich als neue terroristische Praxis im unerbittlichen Kampf um den Nahen Osten. Sie trafen die zivile Luftfahrt weitgehend unvorbereitet und ermöglichten unbeteiligte Staaten zu erpressen. München wurde 1970 kurzzeitig zur Plattform gewaltbereiter Kommandos. Bei dem Anschlag vom 10. Februar 1970 am Flughafen München-Riem wurden neun Fluggäste zum Teil schwer verletzt und der Israeli Arie Katzenstein starb beim Versuch, seine Mitreisenden zu schützen.

Über die Künstlerin Alicja Kwade

Alicja Kwade zählt zu den international renommiertesten Künstler*innen der Gegenwart. Die in Berlin lebende Kwade wird weltweit ausgestellt, hat unter anderem den Dachgarten des Metropolitan Museums of Modern Art in New York gestaltet, war Teilnehmerin der 57. Venedig Biennale 2017 und ist mit der Arbeit „Bavaria“ Teil des Programms Public Art München. Alicja Kwades Arbeiten sind konzeptionell verankert in naturwissenschaftlichen und philosophischen Diskursen, sie verhandelt die gesellschaftliche Wahrnehmung von Realität, subjektiver und objektiver Erkenntnis.

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