Outdoor-Kunstprojekt in München

Große Kunst am Lenbachplatz: Das steckt hinter dem Motiv

Auf dem 25 Quadratmeter großen Billboard am Lenbachplatz wird großformatige Kunst gezeigt. Bis 28. Mai 2024 ist das Motiv „Jewmynka und die verlorene Zeit“ von Sima Dehgani zu sehen. Wir erklären euch die Bedeutung des Kunstwerks.

Kunstbillboard am Lenbachplatz in München
Tobias Hase

„Jewmynka und die verlorene Zeit“: Erinnerungen ukrainischer Dorfbewohner*innen

In ihrer fotografischen Annäherung spürt Sima Dehgani 2021 der Geschichte des ukrainischen Dorfes Jewmynka nach. 1943 wurden fast alle Bewohner*innen des Ortes verschleppt, viele nach München und einige davon nach Neuaubing. Nach Kriegsende kehrten die meisten von ihnen zurück. Ihr Leben wurde jedoch niemals wieder wie vorher.

Die Fotografin dokumentiert Geschichten und Erinnerungen sowie Lebensrealitäten von Zeitzeug*innen und ihren Familien. Die Verschleppung von Millionen Menschen aus ganz Europa und deren rücksichtslose Ausbeutung waren eines der großen Verbrechen des NS-Staats. Davon profitierten nicht nur die deutsche Kriegswirtschaft, sondern auch die öffentliche Verwaltung und nahezu alle Teile der deutschen Bevölkerung. Millionen Menschen wurden aus der Sowjetunion zur Zwangsarbeit in NS-Deutschland eingesetzt, darunter Männer, Frauen und Kinder. Sie wurden als Menschen zweiter Klasse behandelt, und diejenigen, die überlebten, wurden nach 1945 repatriiert und als Verräter an ihrem eigenen Land beschuldigt.

Wer darf das Kunst-Billboard bespielen?

Die Verkehrsinsel am Lenbachplatz ist eine "Kunstinsel" für temporäre Projekte im Münchner Raum, die von der Stadt gefördert werden. Die Motive auf dem Billboard wechseln alle zwei bis drei Monate, Entwürfe können ganzjährig eingereicht werden.

Das Billboard am Lenbachplatz ist Teil von „Public Art München“, einem Programm des Kulturreferats.

Die vergangenen Projekte in der Übersicht

„The answers, my friend“: Erinnerung an die Proteste China gegen die Corona-Politik (16.1.-17.3.2024)

Bian Cheng

Bian Cheng bespielte das Billboard mit einer kritischen Reflexion der Ereignisse, die 2022 vorfielen. Zentral hierfür waren die sog. White-Paper-Proteste und die Geschichte des Arztes Li Wenliang, die in ihrer Gegenüberstellung das politische Engagement der Gesellschaft und des Einzelnen thematisieren.

Im November 2022 protestierten in China tausende Menschen gegen die strengen Kontrollmaßnahmen. Dabei hielten viele von ihnen leere weiße DINA4-Papiere in den Händen, die – vordergründig ohne Aussage – Zensur umgehen und Verfolgung verhindern sollten. Auf dem Billboard wurden die leeren Seiten durch die Zeichen mingbai 明白 (dt.: „ich/du/wir verstehe/n/verstehst“) ergänzt. Diese nahmen auf die Geschichte des Arztes Li Wenliang Bezug, der als Whistleblower bekannt wurde, weil er schon Ende 2019 die Gefahren von Covid-19 erkannt und seine ärztlichen Kolleg*innen davor gewarnt hatte. Der Arzt wurde von seiner Institution verwarnt und auf die örtliche Polizeistation vorgeladen, wo er eine polizeiliche Verwarnung unterschrieb mit mingbai 明白 (dt.: [Ja, ich] verstehe) und neng能 (dt.: [Ja, ich] kann) Dieses „verstehe“ wurde zu einem weit verbreiteten Symbol.

„Leere“ nach dem Abriss der ehemaligen Hauptsynagoge (21.9.2023-15.1.2024)

Alexander Steig

Die Hauptsynagoge der 1815 gegründeten Israelitischen Kultusgemeinde München lag in unmittelbarer Nähe zum Künstlerhaus und zum Justizpalast, in Sichtweite zur Frauenkirche. Der monumentale, nach Plänen von Albert Schmidt errichtete Sakralbau im neoromanischen Stil war die drittgrößte Synagoge im Deutschen Reich. Das Gebäude war seit seiner Einweihung am 16. September 1887 bis zu seinem von der Stadtverwaltung München beauftragten Abriss im Juni 1938 stadtbildprägend. Heute erinnert der 1969 von Herbert Peters gestaltete Gedenkstein in der Herzog-Max-Straße/Ecke Maxburgstraße an die Synagoge, ihre Zerstörung sowie die Verfolgung und Ermordung der Jüd*innen Münchens. Eine Seite des Billboards zeigt auf einer historischen Aufnahme von zirka 1890 diesen architektonisch prägenden Bau, die andere eine aktuelle Fotografie, die Alexander Steig 2021 vom annähernd selben Standpunkt aus aufgenommen hat. Die Gegenüberstellung macht die städtisch-gesellschaftliche Leerstelle seit 1938 sichtbar.

Wo ist die Skulptur?: „Auf der Suche nach dem Weltfrieden“ (16.8.-21.9.2023)

Kunstbillboard Lenbachplatz
Minna Henriksson, Ralf Homann, Iason Konstantinou, Manuela Unverdorben

Bis 2022 zierte die etwa sechs Meter hohen Bronzeskulptur „Weltfrieden“ einen innerstädtischen Platz in Helsinki. Doch letztes Jahr war der „Weltfrieden“ plötzlich verschwunden. Wo ist die Skulptur? Das internationale Kunstkollektiv machte sich auf die Suche nach dem Weltfrieden. Das Bronze-Denkmal war ein Geschenk Moskaus aus dem Jahr 1990. Damals war Finnland eine Brücke im Kalten Krieg zwischen Ost und West und Helsinki berühmter Austragungsort der Konferenz für die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Was wäre heute ein Weg?

Appell für den Frieden: „Die Waffen nieder! (Bertha von Suttner)“ (14.7.-15.8.2023)

Wolfram P. Kastner

Bertha von Suttner (1843-1914) war Pazifistin, Friedensforscherin und Schriftstellerin. Sie wurde 1905 als erste Frau mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Mit dem Schriftzug und dem gemalten Portrait widmete sich Wolfram P. Kastner Berta von Suttners berühmtem Appell für Frieden. Der 1889 veröffentlichte Roman „Die Waffen nieder!“ erreichte innerhalb kurzer Zeit weltweite Bekanntheit. Er wurde in 20 Sprachen übersetzt und erschien in deutscher Sprache in mehr als 40 Auflagen. Von 1892 bis 1899 veröffentlichte Bertha von Suttner mit Alfred Hermann Fried eine Zeitschrift mit dem Titel „Die Waffen nieder! Monatsschrift zur Förderung der Friedensbewegung“.

Europa als Kunstwerk: „Europe from below“ (17.5.-14.7.2023)

Billboard Lenbachplatz Motiv Paula Leal Olloqui
© Foto: Paula Leal Olloqui

„Brüssel plant, Brüssel verurteilt, Brüssel entscheidet… und Brüssel genehmigt…“ Als Synonym für die EU greift die belgische Hauptstadt scheinbar täglich in die Leben von Millionen Europäern ein. Brüssel ist dabei als abstrakter Begriff zugleich ein Sinnbild für die europäische Idee von Frieden, Freiheit, Demokratie, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit. Paula Leal Olloquis Arbeit „Europe from below“ machte sich in Brüssel auf die Suche nach den Spuren der Macht, von der wir täglich hören. Ausgangspunkt für die Collagen waren Fotos, aufgenommen im Europäischen Viertel in Brüssel, in dem sich zahlreiche EU-Institutionen wie das Europäische Parlament, der Europäische Rat und die EU Kommission befinden.

Ein Captcha als Kunstwerk: „Ich bin kein Roboter“ (15.3.-15.5.2023)

Milen Till

Von März bis Mai gab es auf der Verkehrsinsel ebenfalls eine ungewöhnliche Kunst-Installation zu bewundern: Auf neun einzelnen Bildkacheln wurden verschiedene Perspektiven auf die Verkehrssituation am Lenbachplatz gezeigt  genau wie bei einem Captcha-Layout aus dem Netz. Direkt hier am Verkehrsknotenpunkt erinnerte die Installation von Milen Till auf humorvolle Weise daran, dass wir Menschen eben keine Roboter sind. Hier musste keiner eine Aufgabe erledigen, sondern konnte einfach nur aus reinem Vergnügen ein Kunstwerk betrachten und genießen. Und womöglich ist ja das der Unterschied, der den Menschen noch lange vom Roboter unterscheiden wird.

Crossmediale Installation: “Good buy, Reality!” (17.1.-15.3.2023)

Kunst im öffentlichen Raum Billboard Lenbachplatz Max Haarich
Max Haarich

Von 17. Januar bis 15. März 2023 dachte man am Lenbachplatz beinahe, man sähe doppelt: Auf der Kunstinsel wurden zwei 25 Quadratmeter große Realitätsausschnitte der Stadt gezeigt, die  aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet  jeweils exakt den Bereich hinter dem Billboard abbildeten. Das Werk „Good Buy, Reality!“ von Max Haarich spielte dabei auf die fortschreitende Virtualisierung und Kommerzialisierung unserer Welt an. Die beiden Ausschnitte waren als fiktive Verkaufsangebote über einen abgebildeten QR-Link erreichbar, wurden mit Hilfe der Non-Fungible-Token-Technologie (NFT) also sozusagen zum virtuellen Handelsgut gemacht.

In Kooperation mit dem Kulturreferat und den Museen

Dieser Beitrag über die Münchner Museen wird vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München gefördert und ist in Kooperation mit der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern konzipiert worden. Die Inhalte wurden zwischen den beteiligten Museen und muenchen.de, dem offiziellen Stadtportal, abgestimmt.

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