Ausstellung über queere Geschichte im NS-Dokumentationszentrum
TO BE SEEN. queer lives 1900-1950
Mit der Ausstellung „TO BE SEEN. queer lives 1900-1950“ wirft das NS-Dokumentationszentrum in München vom 7. Oktober 2022 bis zum 21. Mai 2023 einen Blick auf die Geschichte der deutschen LGBTIQ*-Bewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit historischen Dokumenten, künstlerischen Interventionen und einem Begleitprogramm will die Ausstellung die verdrängte Erinnerung neu beleben und zu den aktuellen Diskussionen über queeres Leben beitragen.
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In Kooperation mit dem Kulturreferat und den Museen
Dieser Beitrag wird vom Kulturreferat der LHM gefördert.
„TO BE SEEN“: Geschlechter, Körper und Identitäten
In fünf Ausstellungskapiteln erzählt das NS-Dokumentationszentrum die Geschichte der LGBTIQ*-Bewegung in Deutschland mit ihrer Vielfalt an Geschlechtern, Körpern und Identitäten: Von der vorsichtigen Emanzipation und der selbstbewussten Sichtbarkeit queeren Lebens in den 1920er Jahren, über die Verfolgung und Vernichtung während der NS-Diktatur bis hin zum Verblassen der Erinnerung an diese lebendige und schicksalhafte Geschichte in den Nachkriegsjahren.
Erinnert wird vor allem auch an den Kampf um rechtliche, wissenschaftliche und gesellschaftliche Anerkennung, an die Lebensfreude in der Blütezeit der Subkultur in der Weimarer Republik, an die Solidarität in Vereinen und Organisationen und der produktiven Kunst und Kultur der Bewegung.
Die Ausstellung ist vom 7.10.2022 bis 21.5.2023 jeweils Dienstag bis Sonntag von 10 bis 19 Uhr zu den Öffnungszeiten des NS-Dokumentationszentrums zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Historische Zeugnisse von Emanzipation und Verfolgung
Die historische Präsentation im ersten Obergeschoss des NS-Dokumentationszentrums mit den fünf Kapiteln ist eingebettet in einen Prolog zum Gesamtkonzept und einen Epilog mit queeren Errungenschaften bis heute.
„Selbstermächtigung“ und „Begegnen, bewegen – Banden bilden“
Die beiden ersten Kapitel beleuchten das individuelle und kollektive Aufbegehren gegen die konservative Gesellschaftsordnung zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Führende Persönlichkeiten und bedeutende Organisationen, die den Kampf für gleiche Rechte gegen große Widerstände aufnahmen, werden hier vorgestellt. Und auch die lebendige Subkultur in den 1920er Jahren, vor allem in Berlin, ist hier abgebildet.
„Wissen, Diagnose, Kontrolle“
In diesem Kapitel rückt die Sexualwissenschaft mit ihrem berühmten Vorreiter Magnus Hirschfeld in den Blickpunkt. Dabei werden auch Selbstzeugnisse von „Patient*innen“ vorgestellt. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diversen Geschlechtsidentitäten brachte auch Nachteile: Sie führte zu einer leichteren staatlichen Kontrolle.
„Körper fühlen, Bilder sehen“
Das vierte Kapitel widmet sich der Kunst und Kultur und ihren Vorstellungen und Darstellungen von Körper, Geschlecht und Intimität in Literatur, Film, Theater und Bildender Kunst. Neue Körper- und Rollenbilder wurden entworfen und sichtbar gemacht und vieles, was heute als queer wahrgenommen wird, hat seinen Ursprung in dieser frühen queeren Ästhetik der 1920er Jahre.
„Leben in der Diktatur“
Während der NS-Diktatur wurden vor allem homosexuelle Männer rechtlich verfolgt, verschleppt und teilweise ermordet. In dieser Zeit erlitten auch trans*- und lesbische Personen Diskriminierungen. Wie queere Menschen sich versteckten, ihre sexuelle Identität verleugneten und auch mutigen Widerstand leisteten, wird zum Abschluss der historischen Dokumentation betrachtet.
Künstlerische Interventionen und Leselounge im NS-Dokumentationszentrum
Kunstobjekte begleiten die historische Ausstellung und sind zudem als Interventionen im ganzen Haus zusehen. Über 30 zeitgenössische Künstler*innen versuchen mit ihren Werken die Erinnerung zu fassen und gegen die Verdrängung zu wirken: Die Diskriminierungen und die Solidarität der LGBTIQ*-Bewegung sollen wahrgenommen werden.
Im Lernforum des NS-Dokumentationszentrums ist eine Leselounge mit wissenschaftlicher Literatur zum Thema LGBTIQ* eingerichtet. Dort informiert eine Station unter dem Titel „Paul Hoecker: gefeiert, geoutet, vergessen“ über das Schicksal des Münchner Kunstmalers und Akademie-Professors (1854-1910), der nach seinem Outing als Homosexueller seine Karriere beendete.
Begleitprogramm und Rundgänge zur Ausstellung
Jeden Dienstag um 17:30 Uhr sowie jeden Sonntag um 15 Uhr gibt es einen Rundgang durch die Ausstellung. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, jedoch ist die Teilnehmerzahl begrenzt. Plätze werden ab 15 Minuten vor Beginn vor Ort vergeben.
Mit Diskussionen, Video-Screenings und Filmen in deutscher und englischer Sprache wird die Ausstellung begleitet.
Die ersten Veranstaltungen im Begleitprogramm:
- 26.10.2022, 19 Uhr (7 p.m.), Lecture and Discussion
Bad Gays: A Homosexual History. With Huw Lemmey and Ben Miller
- 22.11.2022, 19.00 Uhr, Diskussion
Queering Collections – Strategien der Veränderung von Ausstellungs- und Sammlungspraxis. Mit Pia Singer (Stadtmuseum München), Linda Strehl (Forum Queeres Archiv München e.V.) und Sabine Brantl (Haus der Kunst)
- 7.12.2022, 19.00 Uhr, Filmscreening und Gespräch
Ein Hauch Leben (D, IT 2021). In Kooperation mit dem Filmfest München